Beste Stimmung auf der Retro Classics: Autofans erfreuten sich auf der Messe nicht nur an Ikonen der Fahrkultur, sondern auch an zukünftigen Legenden wie Supersportwagen.

Er macht was her: Knallrote Karosserie mit knallgelben Buchstaben darauf, die auf Deutsch Muschel heißen. Der fast 90 Jahre alte Chevrolet Tankwagen vor dem Haupteingang der Messe Stuttgart weist Besucherinnen und Besuchern den Weg zu dem, was sie hinter den gläsernen Drehtüren erwartet, die 23. Retro Classics, Messe für Fahrkultur. Noch bis zum Sonntag, 28. April, präsentieren Aussteller aus vielen Teilen der Welt Raritäten aller Epochen der Automobilgeschichte und was dazu gehört: Ausstattung, Teile, Klamotten, Versicherungen, Verbände und mehr.

 

Das zieht am Samstagnachmittag viele Liebhaber automobiler Ikonen und Oldtimern von morgen an, die in verschiedensten Sprachen schwärmen und fachsimpeln. Im Foyer werden sie standesgemäß empfangen von einem weißen Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing“ Coupé. Nicht nur die Flügeltüren erregen Aufmerksamkeit, auch die Filme über Autorennen. Ist doch das Fahrzeug ein legendäres: Mit ihm wurde der Rennfahrer Paul O’Shea in seinem Heimatland USA Sportwagenmeister.

Wie einst Heinz Rühmann im Overall

Auch der Rösrather Rudolf Welle und der Augsburger Manfred Anders bleiben stehen. Die beiden Ingenieure in Rente sind Mitglieder des Topolino-Club-Deutschland, haben schon seit zehn Jahren einen Stand auf der Messe – wie auch andere Markenliebhaber vom Alfaclub über Ro80 Club International und Veteranen-Club Bretzenacker bis zum Zuffenhausener-Sportwagenfreunde e. V. „Hier trifft sich alles“, so Rudolf Welle, vom Fiat Topolino schwärmend. Das „Mäuschen“ war der erste Fiat 500, wurde in Italien zwischen 1936 bis 1955 in drei Versionen insgesamt 516 646 Mal gebaut. „Sein Kern ist Sympathie“, lacht der Mann aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis: „Ich sag’ immer, schadstoffarm und leistungsarm.“

Das Kleinstfahrzeug braucht nicht so viel von dem, was einst aus der etwa 100 Jahre alten „eisernen Jungfrau“ floss, die Arno Saager mit anderem Zubehör unter der Treppe aufgebaut hat. „So nannten die Chauffeure diese Handzapfsäule aufgrund ihrer Formen“, schildert der einstige Bankrevisor, der sich nun seiner Sammel- und Verkaufstätigkeit verschrieben hat. Die begann vor 40 Jahren. Heute ist er der einzige Offizielle, der mit Objekten und Memorabilien rund ums Tanken handelt. Mit 17 Jahren habe er in Frankfurt ein mit Zapfsäule dekoriertes Schaufenster gesehen. „Es war um mich geschehen.“ Und der Ludwigsburger erwarb seine erste eiserne Jungfrau für 80 Mark in Steinheim an der Murr von einer insolventen Tankstelle. „Die Petromanie ist hoch ansteckend und unheilbar!“ Spricht’s – fesch im Overall wie einst Heinz Rühmann in „Die Drei von der Tankstelle“ –, tippt an die Mütze: „Allzeit gute Fahrt!“

In der Garage stehen schon zehn Oldtimer

Auf einer Auktion wollen manche erleben, wie teuer die Modelle weggehen, etwa ein Rolls Royce Corniche von 1977, der mit 59 500 Euro aufgerufen wird. Andere bieten mit. Ein deutsch-österreichisches Paar, das in Luzern lebt, erzählt von Nachbarn, die da stets zwei Oldtimer verkaufen, damit Platz für zwei neue in der Garage gemacht wird, in der zehn davon stehen. Die Laune ist bestens – nicht nur dank Leckereien-Trucks mit Maultaschen, Austern, Crêpes, Bier, Wein, Sekt und mehr. Vor allem auch ob der Porsches scheinbar aller Jahrgänge, Mercedes, Jaguars, Bentleys, Ferraris. Gemeinschaftliche Boxenstopps gibt es vor Gefährten wie McLaren F1, 1950er Healey Silverstone, 1947er Plymouth, 1947er Triumph Roadster oder 1933er Alvis Firefly. Der Audi Quattro aus 1985 ist was für Rallyekenner, der Ford Modell T Baujahr 1912 für Nostalgiker. Gut gereiftes französisches Lebensgefühl bietet der Nachkriegs-Peugeot Typ 203 oder die Citroen-Ente 2 CV von 1962. „Das war noch Scheibenwischen mit dem Handrad!“ Marlies aus Kehl grinst. Sie sei 1969 mit einem „Döschwö“ und Freund in Spanienurlaub gefahren.

Den Cadillac Deville beschreibt Mark, 25 aus Bonn, als „Ghostbuster Auto, yeah“, während ein Paar eine Ebene darüber die Vor- und Nachteile von Jeep und VW-„Bulli“-Bussen diskutiert. Dort werden so manche Zweiräder wie Parilla, Moto Guzzi, Vespa, Piaggio oder Harley Davidson samt Seitenwagen abgelichtet.

Besucher wollen selbst einmal Gas geben

Auf dem Boden der Hallen erfreut auch ganz Kleines: Porsche hat 1983 ein 911 Cabrio für den „Junior“ geschaffen. Den Kinder-Sportwagen gibt es weltweit nur 224 Mal. Nebenan wird leidenschaftlich eruiert, welchen Aston Martin James Bond in Goldfinger durchgeschüttelt hat. „Such a cool car“, ist aus einer Gruppe Briten hören. Paul Miles – nomen scheint omen – stimmt zu. „Wir gehen zu allen Retro Messen, auch nach Paris und Essen, sind zum dritten Mal in Stuttgart“, so der Mann aus Manchester, auf einen olivgrünen Aston Martin Valkyrie zeigend. Der Supersportwagen hat 1015 PS, bringt in der Spitze 340 Stundenkilometer. Als er 2021 auf die Straße ging, war er trotz eines Preises von rund drei Millionen Euro mehrfach überzeichnet. „Absolute Klasse“, so Miles. „Schon jetzt eine Legende.“ Er sei in der Baubranche tätig, schraube in seiner Freizeit an Autos. Die britischen Inseln seien nun ein teures Pflaster.

Nebenan betrachten Lisa Bäuerle und Selina Haida mit Neffe Jason Haida die Designs von Bugatti und McLaren. „Jason ist Autofan. Aber man kann auch so die Ästhetik der Fahrzeuge genießen“, sind sich die Esslinger Grafikerin und Heilbronner Krankenpflegerin einig. „Schön wäre, mal in einem dieser Autos Gas zu geben“, sagt Bäuerle.

Das bestätigt am nächsten Stand Maximilian Kraus. Der 19-Jährige, der in Kempten Fahrzeugtechnik studiert, ist das erste Mal da, nimmt den neuesten Maserati unter die Lupe. „Klar, dass da bei vielen noch ein Herz für die Kunst und Technik des Verbrenners schlägt. Aber alle an der Hochschule wissen, dass es Richtung Elektro und neue Technologien gehen muss.“